Heute mal ganz was Anderes: Mit Texten wie diese gewinnt man beim ansonsten sehr lustigen post-skriptum ein Paar blauer Schwimmflügerl! Text ist ein Aussnitt und hat daher weder Anfang noch Ende. Kritik freut!
Maki saß bereits vor einer riesigen Portion Tofu und bestand nach wie vor darauf, dass der Chinese nur für ihn eine Ausnahme machte und kein Spürchen Fleisch in seiner Mahlzeit zu finden sei. Immerhin bezahle er ja auch 2 Euro mehr als alle Anderen dafür. David glaubte eher ja, der Chinese lachte sich jedes Mal, wenn er dieses Maki-Tofu extra ein paar Mal durch einen Topf extra für ihn angeschimmelter Fleischreste zieht, bevor er es mit dem breitest möglichen Lächeln serviert, ins kleine gelbe Fäustchen. David würde das nicht wundern. Keinesfalls.
Maki hatte keine Neuigkeiten. Verdächtig. Normalerweise schwafelte er ständig von irgendwelchen ‚Projekten’, an denen er arbeitet. Und die, selbstverständlich, niemals jemand in der wirklichen Welt sieht. Wann immer er Besuch hat, zeigt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf instabil aussehende Stapel ‚wichtiger’ Papiere, die es abzuarbeiten galt. Und da David sehr oft bei ihm zu Besuch war, verfolgte er die langsame Verrottung dieses immer gleichen Stapels schon seit einiger Zeit: Es passiert von innen nach außen. Er wusste nicht, wie das möglich war, nahm aber an, da hätten sich eines Tages ein paar feuchte Blätter eingeschmuggelt. Da er sich hin und wieder auch Gedanken über den inneren Aufbau des Stapels machte, wollte er keinesfalls wissen, wovon sie denn feucht geworden waren, damals, als Guns’n’Roses noch aktuell waren. In Wahrheit hatte David eigentlich keine Ahnung, wovon sein Freund mehr schlecht als recht lebte, hatte jedoch seine Vermutungen. Eine davon besagte, dass er sicher von seiner guten alten Oma geerbt hatte. Eine andere war, dass er sich nachts davonschlich und auf öffentlichen Toiletten Blowjobs gab. Die wahrscheinlichste jedoch war, was Maki selbst sagte: Dass die ganze Latte an verschiedensten Aushilfsjobs, die er immer wieder machte - Kellner, Nachtwächter, Meinungsforscher, die ganze Wesser-Palette auf und ab - ihn über Wasser hielt, bis seine Projekte endlich Geld abwarfen. Die Frage, welche Projekte denn das waren und warum er sie kostenlos machte, beantwortete er nie. Bis zu seinem legendären Durchbruch könne es jedoch nicht mehr lange dauern, und dann würden sie alle sehen, Tom, Petulia, David und noch ein paar andere, die David egal waren. Bis dahin konnte man ihn jedoch jeden zweiten Freitag im Monat bestens im Einkaufszentrum ärgern, wenn er versuchte, jungen Türken mit viel Machismo teure Handyverträge anzudrehen, die ihre Männlichkeit bei den Altersgenossen noch deutlicher zur Schau stellen würden.
„Was murmelst du da schon wieder“, fragte Maki wenig später, während sie beide ihre Frühlingsrollen mit viel roter Sauce aßen.
„Chilischoten“, sagte David. "Das rote Zeug besteht doch aus Chilischoten."
„Was“, sagte Maki, dem so viel Tiefschürfendes auf die Nerven ging. „Wie kommst du jetzt da drauf.“
„Die Statistik habe ich letzte Woche gesehen: Jeder Mexikaner isst pro Jahr 8 Kilo Chilischoten. So im Durchschnitt. Also, ein paar essen sicher weniger, da müssen ein paar auch mehr essen.“
„Toll“, sagte Naki.
„Ja schon“, sagte ich. Dann sagte niemand etwas, und David nahm noch etwas rote Sauce.
„Das sind sehr viele Chilischoten.“
„Aber es gibt ja extrem viele verschiedene Chilisorten... von mild bis total scharf... und die essen auch viele verschiedene Sorten.“
„Sicher, aber denk mal, Maki: Wie viel wiegt eine Chilischote? Wie viele Schoten sind acht Kilo?“
„Eine frische sicher mehr als eine getrocknete, und die getrockneten sind doch die wirklich bösen.“"Maki, das bringt dich jetzt in der Beantwortung der Frage überhaupt nicht weiter“
„Was war denn die Frage?“
„Also, wenn man bedenkt, mit einer einzigen kleinen Schote kann man ein paar Liter Gulasch so scharf machen, dass man es nicht mehr essen kann. Wie viele Chilischoten kann man eigentlich essen, ohne dass der Metabolismus den Geist aufgibt. “
„Ja, wir“, unterbrach Maki David. „Wir sind ja Weicheier, wenn es um Chili geht. Aber die Mexikaner können das.“
„Auch die kleinen Kinder? Ist die Verträglichkeit gegenüber Chilischoten genetisch?“
„Gute Frage“, sagte Maki und strich sich über die Haare. „Wenn man zwanzig Generationen Mäusen die Schwänze abschneidet, kommt die einundzwanzigste dann ohne Schwanz zur Welt?“
„Wie kommst du genau auf zwanzig? Wie wärs mit 100 Generationen?“
„Ich glaube, Chilischoten gibt’s noch nicht seit 100 Generationen in Mexiko.“
„Die Mayas hatten doch sicher auch welche. Die waren da ganz scharf drauf.“
Er lachte kurz über das nur für ihn nicht offensichtliche Wortspiel.
„Ich glaube, die haben die Spanier mitgebracht.“
"So ein Schwachsinn", sagte Maki abfällig. "Die Spanier. Sag, hast du Naomi angerufen?"